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ADDITIVE FERTIGUNG

Bildquelle: MarinaGrigorivna/shutterstock.com

15.11.2022 | Additive Fertigung

MÖGLICHKEITEN UND POTENZIALE IN DER ADDITIVEN FERTIGUNG - TEIL 3/4


Technische Aspekte beim Auswahlprozess des passenden Verfahrens in der Umsetzbarkeitsanalyse

Ist erst Mal die Idee geboren ein Bauteil mittels additiver Fertigungsverfahren herzustellen, um technische oder wirtschaftliche Vorteile zu nutzen, gestaltet sich die Suche nach dem passenden Verfahren meist schwierig. Im zweiten Teil unserer Wissensreihe haben wir bereits einige Aspekte beleuchtet, die bei der Beantwortung der Frage, ob der Einsatz additiver Fertigungsverfahren überhaupt sinnvoll ist, beachtet werden sollten. Im dritten Teil stellen wir Ihnen nun die gängigsten additiven Fertigungsverfahren mit Ihren Vor- und Nachteilen vor. Diese können auf unterschiedliche Art und Weise klassifiziert werden. Um die Vor- und Nachteile bestmöglich beschreiben zu können, haben wir uns dazu entschieden die wichtigsten Verfahren in Abhängigkeit des Ausgangszustandes des Materials zu gliedern. 

Pulverbettbasierte Verfahren


Allen pulverbettbasierten Verfahren gemein ist der Einsatz eines Pulvers im Bauraum, welches schichtweise aufgetragen, glattgestrichen und anschließend positionsgenau verbunden wird. Dabei können Metalle und Kunststoffe eingesetzt werden, wobei der Partikelzusammenhalt entweder durch das Einbringen von Energie und dem Schmelzen der Partikel erreicht wird oder durch das Aufbringen von speziellen Bindern sowie Zusätzen und deren Aushärtung.


Grundsätzlich ist beim Umgang mit Pulvern Vorsicht geboten, da Partikel lungengängig sind und beim Aufwirbeln oxidieren bzw. explodieren können. Für den Druck mit Kunststoffen müssen in der Regel keine Stützstrukturen vorgesehen werden, da das Bauteil durch das umliegende Pulver gestützt wird. Nach dem Druck müssen die Bauteile zunächst aus dem Pulverbett freigelegt und anschließend entpulvert werden. Das nicht verwendete Pulver kann nach der Aufbereitung in den meisten Fällen erneut genutzt werden.

Selektives Laserschmelzen (SLM)

Beim selektiven Laserschmelzen werden die Pulverpartikel durch einen Laser vollkommen aufgeschmolzen, sodass sich diese lokal verbinden. Es wird empfohlen, Überhänge mit einem Winkel > 45° abzustützen, um einen thermischen Verzug zu vermeiden. Typischerweise kommen Metallpulver aus beispielsweise Titan, Aluminium oder Edelstahl zum Einsatz, wobei auch Kunststoffe verwendet werden können.


Die Vorteile bei der Nutzung des SLM-Verfahrens liegen in den sehr guten mechanischen Eigenschaften der Bauteile begründet, da ein nahezu homogenes Gefüge entsteht. Zudem können Metalle verarbeitet werden. Nachteilig sind die hohen Material- und Anlagenkosten. Auch wenn ein nahezu homogenes Gefüge entsteht, weisen die Bauteile nach dem Druck anisotrope Eigenschaften auf. Zudem ist die Oberfläche der hergestellten Bauteile nicht glatt, sondern leicht rau.

Selektives Lasersintern (SLS)

Ähnlich wie beim selektiven Laserschmelzen wird beim selektiven Lasersintern das Pulver durch einen Laserstrahl zum Schmelzen gebracht. Der Unterschied liegt jedoch in der eingebrachten Leistung, welche beim selektiven Lasersintern deutlich geringer ist. Die Partikel werden nicht vollkommen aufgeschmolzen, sondern nur angeschmolzen wodurch ein poröser Stoffzusammenhalt entsteht. Beim selektiven Laserschmelzen werden häufiger Metalle verarbeitet, wohingegen beim Lasersintern in den meisten Fällen Kunststoffe oder Keramiken verarbeitet werden. Zu den Kunststoffen zählen unter anderem Polyamid 11 und 12.


Durch den geringeren Energieeintrag wird dem thermischen Verzug entgegengewirkt wodurch keine Stützstrukturen benötigt werden. Zudem ist der Prozess schneller und Anlagen- sowie Materialkosten etwas geringer. Ebenso wie beim SLM-Verfahren weisen mit dem SLS-Verfahren hergestellte Bauteile eine raue Oberfläche auf.

Elektronenstrahlschmelzen (EBM)

Das Elektronenstrahlschmelzen ähnelt dem selektiven Laserschmelzen sehr. Wie der Name schon sagt, kommt jedoch beim Elektronenstrahlschmelzen kein Laserstrahl, sondern ein Elektronenstrahl zum Einsatz. Aufgrund der höheren möglichen Energiedichte werden mit dem EBM-Verfahren Materialien verarbeitet, die im SLM-Verfahren nicht verarbeitet werden können. Zu diesen zählen spezielle Nickel- und auch Titanlegierungen. Die Vorteile der hohen Energiedichte bringen jedoch Nachteile bzgl. höherer Anlagenkosten mit sich.


Multi Jet Fusion (MJF)

Das von HP patentierte Multi Jet Fusion-Verfahren ist im Grundsatz dem Binder Jetting sehr ähnlich. Auch hier werden über Drückkopfe Flüssigkeiten aufgetragen, bei denen es sich jedoch nicht um einen Klebstoff, sondern wärmeleitende bzw. wärmehemmende Flüssigkeiten handelt. Nach dem Auftrag wird die Schicht mit Infrarot-Licht erwärmt. Dabei verschmelzen die Partikel, welche mit dem "Fusing Agent" benetzt wurden, wobei alle anderen Partikel, insbesondere die Partikel, welche mit dem "Detailling Agent" benetzt wurden, nicht verschmelzen. Hierdurch wird Schicht für Schicht das Bauteil aufgebaut. Typischerweise entstehen auf diesem Weg Bauteile aus PA 12 oder PA11.


Die entstandenen Bauteile sind in der Regel mechanisch belastbar, besitzen isotrope Eigenschaften und können ohne Stützstrukturen gedruckt werden. Schließlich weisen auch im Multi Jet Fusion-Verfahren hergestellte Bauteile eine leicht raue Oberfläche auf.

Binder Jetting (BI)

Aufgrund seiner Ähnlichkeiten zum 2D-Druck Verfahren ist das Binder Jetting auch als "3D-Druck" bekannt. Hierbei wird Klebstoff auf der Pulverschicht aufgetragen, wodurch sich die umliegenden Pulverpartikel verbinden. Die Parallele zum 2D-Druck liegt in der Art und Weise des Auftrags begründet, da der Klebstoff über Inkjet Druckköpfe aufgebracht wird. Grundsätzlich können alle Pulver auf diese Weise verarbeitet werden, wobei hauptsächlich Gipspulver oder Kalkpulver verwendet werden.


Als Vorteile sind die schnelle Verarbeitungsweise zu nennen, sowie die Möglichkeit ohne Stützstrukturen zu drucken. Auch vollfarbige Drucke sind realisierbar, wobei die Bauteile nach dem Druck mechanisch nicht belastbar sind. Auch im Binder Jetting hergestellte Bauteile weisen eine raue Oberfläche auf.


Das Fused Deposition Modeling, oder auch Fused Filament Fabrication (FFF) genannt, gilt als das weitverbreitetste additive Fertigungsverfahren. Das Filament, welches auf einer Rolle aufgewickelt ist, wird einem Druckkopf zugeführt. Dieser wird in Abhängigkeit von dem verwendeten Material auf ca. 200° C aufgeheizt und lässt das zugeführte Material schmelzen. Über verschiedene Antriebe kann der Druckkopf in x-, y- und z- Richtung relativ zur Druckplattform bewegt werden, sodass das geschmolzene Material genau auf der Bauplattform oder der zuvor entstandenen Schicht positioniert wird. Auf diese Art und Weise entsteht Schicht für Schicht das fertige Bauteil. Mit diesem Verfahren werden in den meisten Fällen Kunststoffe verarbeitet, wie beispielsweise ABS, ASA, PEEK aber auch elastische Materialien wie TPU.


Da sich um das Bauteil herum kein Pulver befindet, muss es nach dem Druck nicht freigelegt werden. Zudem ist das Verfahren schnell und es besteht die Möglichkeit, kostengünstig auch sehr große Bauteile zu fertigen. Je nach Ausrichtung und Geometrie des Modells ist keine Stützstruktur notwendig. Als Nachteil des Verfahrens ist die geringe Genauigkeit und die schlechte Oberflächenbeschaffenheit zu nennen. Die mechanischen Eigenschaften der Bauteile sind abhängig von dem verwendeten Material, wobei die Materialpalette sehr groß ist.

Verfahren mit flüssigen Materialien


Als flüssige Materialien werden in den meisten Fällen Kunstharze oder auch sogenannte Resine verwendet. Je nach Materialhersteller sind die Harzeigenschaften mit den Eigenschaften von technischen Kunststoffen vergleichbar. So können neben Funktionsprototypen auch Endprodukte hergestellt werden. Bauteile, die aus flüssigen Materialien hergestellt werden, weisen in den meisten Fällen sehr gute und glatte Oberflächen auf. 

Stereolithografie (SLA)

Beim SLA-Verfahren werden Kunstharze aus einem Tank mit einem Laser oder einem UV-Licht präzise an der notwendigen Stelle ausgehärtet. Schicht für Schicht entsteht so das Bauteil, wobei der Laser, wie auch bei den pulverbettbasierten Verfahren, die Geometrie einer Schicht Stück für Stück abfährt. Die Bauplattform befindet sich dabei im Kunstharztank und wird je nach Verfahren aus diesem herausgezogen oder immer weiter im Tank heruntergefahren.


Im SLA-Verfahren hergestellte Bauteile sind sehr präzise, wobei in den allermeisten Fällen eine Stützstruktur bei der Herstellung verwendet werden muss. Es besteht die Möglichkeit, vollkommen hohle Bauteile herzustellen. Die Bauteilkosten sind in den meisten Fällen höher als Bauteile, die im FDM-Verfahren hergestellt wurden.

Digital Light Processing (DLP)

Im Unterschied zum SLA-Verfahren wird im DLP-Verfahren die Geometrie einer Schicht nicht mit einem Laser abgefahren, sondern mit einem Beamer auf die Schicht projiziert. Aus diesem Grund können Bauteile deutlich schneller auf Kosten der Präzision hergestellt werden. 


Polyjet bzw. Mutli-Jet-Modeling (MJM)

Beim Polyjet-Verfahren befindet sich das Harz nicht in einem Tank, sondern in einem Druckkopf. Entsprechend wird die Bauplattform nicht von Harz umgeben, sondern vom Druckkopf das Harz zuerst dort, wo sich das Bauteil befindet, positioniert und anschließend direkt ausgehärtet.

Es ist eines der genausten Verfahren aber auch eines der teuersten Verfahren. Auch bei diesem Verfahren sind Stützstrukturen notwendig, welche nach dem Druck entfernt werden müssen. 

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